Jetzt geht es zügig nach Süden. Lappland ist zu Ende. Die Vegetation verändert sich. Wir sehen dichtere Wälder als bisher, Landwirtschaft, die Heide blüht. Ab und an folgen wir dem Küstenradweg E10, um uns vom Verkehr der Landstraße zu erholen, wenn dort gerade mal kein begleitender Radweg sondern nur ein Randstreifen zur Verfügung steht. Dann geht’s auf Waldwegen an Einzelgehöften und eben Wald entlang- auch mal schön. Dabei fanden wir einen Ziehbrunnen, die Kühe mit dem Euterschutz und einen Holzvollernter im Einsatz. Eine Kekspause auf einer kleinen Waldlichtung mit Blaubeerunterwuchs mussten wir wegen zu intensiver Mückenbevölkerung stark verkürzen. Wie zu sehen ist, hatten wir auch mal einzelne schöne Tage dabei.
Gefühlt ist es aber doch überwiegend regnerisch; was sich da in Mittel- und Südeuropa mit Hitze abspielt, können wir uns gar nicht recht vorstellen.
In der größten Stadt Nordfinnlands, Oulu, hatten wir Sonne und Schauer im Wechsel. Bilder im Regen gibt es nicht, weil die Kamera ja nicht wasserfest ist. Die Radinfrastruktur ist vorbildlich; es wird auch wirklich viel Rad gefahren. Im Radius von 30 km gibt es bestens ausgeschilderte breite Radwege in die Stadt hinein, die nummeriert sind. Hinein fahren wir die 1, hinaus die 10. Und dieses Kulturangebot! Wir sind leider gerade zwischen zwei großen Events angekommen. Das Rockfestival mit 30.000 Leuten – mitten in der Stadt!- ist gerade vorbei und der Monat August mit den vielen Veranstaltungen rund um darstellende Künste beginnt erst am nächsten Wochenende. Das wirkt hier alles quietschlebendig. Alte Speichergebäude am Hafen mit Cafes, Terrassen und Marktständen sind bei Sonne sicher noch schöner. Oulu ist 2026 europäische Kulturhauptstadt und beginnt jetzt bereits mit den ersten Werbekampagnen. Wir denken, daran erkennt man, wie wichtig das genommen wird!
Obwohl wir ja nun schon etliche dutzend Kilometer parallel Küste fahren, haben wir die Ostsee eigentlich noch nicht zu sehen bekommen, weil da viel Privatbesitz und Landwirtschaft zu sein scheint, die Wege und Straßen jedenfalls immer ziemlichen Abstand vom Strand haben. Manchmal sehen wir skurrile Dinge, diesen Skulpturengarten zum Beispiel. Die Autoverwertung gibt uns auch Rätsel auf: statt Verschrottung wird wohl oft der Weg der Verrottung gewählt, hier anscheinend auch der Kompostierung, vielleicht als wissenschaftliches Projekt?
Schließlich, auf einem Campingplatz an einer kleinen Bucht, ist die Ostsee da: das ist schon ein Foto mit unseren Lupinos wert. Das Ding dazwischen ist ein Puffin (Papageientaucher, Ihr erinnert Euch) als Mitbringsel für unsere Enkelin. Tags danach waren wir auf dem Camping in einem Edel-Ferienresort, mit Go-Cart-Bahn, dem größten Klettergarten, den wir je gesehen haben, einer endlos langen Seilrutsche, Cocktail-Bar … und dem angeblichen längsten Sandstrand Finnlands. Kitschiger Sonnenuntergang inklusive.
In Kokkola, eine Tagesreise südlich, machen wir einen Pausentag, zum Wäschewaschen, Webseite und vor allem Ausruhen. In seltener Übereinstimmung haben uns nämlich unsere Wetter-Apps 48 Stunden Dauerregen und Gewitter prophezeit. Ganz so schlimm ist es denn nun doch nicht; in den wenigen Regenpausen haben wir uns diese 17.-JH-Hafenstadt etwas angesehen. Stolz ist man hier auf den Wasserturm, die Tankstelle von 1937 (!), an der seitdem nichts verändert wurde, und die Altstadt, in der man sehr genau den Stand und die Wirtschaftskraft der damaligen Erbauer ablesen kann. Der sogenannte Pestfriedhof außerhalb der damaligen Stadtmauer entstand 1710/11, als verboten wurde, die Pesttoten wie gewohnt auf dem Kirchhof zu bestatten. Die reichen Familien errichteten Gruften, die jetzt noch zu sehen sind, für ihre Toten. Die anderen wurden genaugenommen wohl überwiegend in Massengräbern innerhalb der Mauer beerdigt.
Ab morgen soll die Regenzeit hier erst mal vorbei sein; wir sind gespannt!