Hier sieht man uns (mit Lupi) stolz auf dem zweithöchsten Pass dieser bisherigen Reise. Der aufmerksame Leser könnte bemerken: ich habe keinen Helm auf! Und das kam so: Wir haben in Sicuani in einem kleinen Restaurante gegessen und uns noch gefreut, dass wir mit zusammen 7 Soles (≈2 €) super günstig weggekommen sind. Wir saßen nah am Eingang, um unsere Räder im Auge zu behalten. Wir hatten das Hinterteil meines und das Vorderteil von Karins Rad im Blick. Leider hing an meinem Lenker der Helm mit Handschuhen und Karins Brillenetui klemmte auf dem Gepäckträger. Weg warn se! Sehr blöd, erstens hat mir der Helm kürzlich bei diesem Unfall ja vielleicht das Leben gerettet und zweitens soll in Chile Helmpflicht für Radfahrer gelten. Also muss ein neuer her, auch Handschuhe und eine Brille. Als Kavalier habe ich Karin meine Brille geschenkt.
Der erste Ort war Cusipata, wo wir nach 80 km im Hagel-Gewitter ankamen. Ich war total durchgefroren und zitterte eine bis zwei Stunden am ganzen Leibe, was sich dann erst nach einer großen Kanne Tee langsam besserte. Das angekündigte agua caliente (warme Dusche) gab es allerdings nicht. Das ist in Peru auffällig: an zugesagtes warmes Wasser glauben wir solange nicht bis es wirklich warm aus dem Duschkopf kommt. Desgleichen WiFi: das steht groß an der Tür, gibt es aber dann leider oft nicht. Oder das Visa- und Mastercard-Schild an der Tür gehört zum guten Ton, hat aber nicht immer was mit der Realität zu tun. Der Hammer war der nächste Ort Pucara, wo ein Camping-Platz-Schild war, wo man aber nicht Zelten konnte und etliche Hospedajes-Angebote zu sehen waren, die aber nur auf ein anderes um die Ecke verwiesen. Etiketten-Schwindel nennt man das wohl.
Auf der Passhöhe bieten Indigene massenhaft Wollkleidung an; Busse halten und es wird auch sicher einiges verkauft, aber vielleicht einen Koka-Tee oder einen kleinen Happen für erschöpfte Radler: Fehlanzeige.
Nach diesem Pass weitet sich das Tal immer mehr und weil es hoch (um 3600 bis 4000 Meter) und ziemlich eben ist, nennt man es den Altiplano, der sich über Bolivien bis nach Argentinien und Chile hinzieht. Bei 4000 Meter ist die Baumgrenze. Überraschenderweise gibt es hier aber doch reichlich Viehzucht (Schafe, Alpakas und Rinder!) und sogar Ackerbau, zumindest Hafer haben wir gesehen. Die Landschaft mit den fernen Bergen ist ehrfurchtgebietend. Karin hat in dieser Höhe bei Steigungen oft ihre Luftprobleme und Schwächegefühle. Da kaut sie schon mal die Koka-Blätter. Ich scheine das etwas weniger anfällig zu sein.
Die Bahnlinie geht parallel zur Straße. Zehn Minuten vor dem Zug fährt ein kleines gelbes Betriebsfahrzeug die Strecke ab und macht sie quasi frei. In Juliaca, dem nächsten Ort, hat Karin einen Film (den heben wir uns für den Vortrag auf!) gemacht, wie der Zug –nach dem gelben Streckenputzer- durch den Ort fährt. Auf den Schienen sind lückenlos Straßenhändler, räumen ihren Stand vor dem Streckenputzer eben beiseite, stellen ihn wieder hin und weichen erst Sekunden vor dem laut klingelnden und pfeifenden Zug in Langsamfahrt. Ein Bahnübergang wird wenige Meter vor dem Zug noch von Tuctucs und Rikschas gequert.
Juliaca, steht im „Lonely Planet“, ist ein Ort, den man am besten schnell hinter sich lässt. Besonders die nördliche Stadteinfahrt beeindruckt durch ihre Schäbigkeit, Dreck, Müll und grottenschlechte Straßen. Aber immerhin gibt es einen kleinen Airport. Und bei „iOverlander“ liest man, dass es ein Casa del Ciclistas gibt, das sind von Rad-Enthusiasten angebotene Kontakt- und Übernachtungsstellen, die wir schon mehrfach genutzt haben. Und da dachten wir, der Giovanni weiß bestimmt, wo man einen Helm herbekommt. Dem war auch so: Bei EduBike fand ich einen halbwegs passablen Helm und Handschuhe. Nur eine ungetönte (wie ich sie haben will) Brille gab es nicht. Da habe ich in einem Baumarkt eine Schutzbrille für 3,5 Soles (≈1,10 €, übrigens ein deutsches Produkt!) gekauft, die wird es erst mal tun. Der Tag in diesem Casa del Ciclistas war wunderbar; wir haben uns sehr wohl gefühlt und bedanken uns herzlich!
Weiter geht’s, der nächste Ort ist Puno am Titicaca-See, dem mit 382o m höchstgelegenen schiffbaren See der Erde.