Bevor es mit der Fähre nach Feuerland ging, stromerten wir noch ein bisschen durch Punta Arenas. Wir fanden die Stadt interessant und wir hatten ja Zeit.
Also besuchten wir eine regionale Erzeuger-Ausstellung, die in einer Schule stattfand. Praktische Nebennutzung, denn die Schulen sind ja von Mitte Dezember bis Ende Februar wegen Ferien geschlossen. Wie überall gab es jede Menge Leckereien und Kunsthandwerk. Den fahrradgetriebenen Mixer (s. Foto) gab es mehrmals; eigentlich eine gute Idee für Straßenstände. Interessant war auch ein Plakat an einer Klassenzimmertür (s. Foto), worauf die jeweiligen Aufgaben und Rollen von Lehrer und Schülern beschrieben wurden.
Unser Host versorgte seine Gäste jeden Morgen mit einem wunderbaren Frühstück. Er erzählte uns auch, dass bereits seine Eltern unter Pinochet auf die Straße gingen und er als Jugendlicher Erfahrungen mit der Polizei machte. Nun würde er mit seiner Frau und seinem 8jährigem Sohn ebenfalls regelmäßig demonstrierten. Allerdings würden sie dann abends nach gehen und er bliebe, denn dann würde es ernst. Er habe auch schon Jungen, die nicht wussten, wie man Reifen für eine Straßenblockade anzündet, kurzerhand vorgemacht, wie es geht. Dieses Gespräch war für uns von seiner Seite überraschend offen und zeigte wieder einmal, wie tief die Wut und der Drang nach einer neuen Verfassung ist.
Dann fuhren wir mit einer Fähre über die Magellanstraße auf die Insel Feuerland und starteten den letzten Abschnitt der Tour. Charlotte und Adriaan, ein belgisches Radlerpaar, das wir aus dem Hostel kannten, hatten die gleiche Route und so fuhren wir den nächsten Tag zusammen.
Eine kurze Pause bei Carlos, der seit 10 Jahren in einem Miniwohnwagen, umgeben von Blechhütten, wohnt, hat uns etwas beschämt. Nicht nur seine Gastfreundschaft war überraschend, denn er lud uns zu Kaffee und Crackern ein, sondern auch seine Belesenheit. Er schleppte einen Haufen Bücher an, und redete von Hanna Arendt und Heidegger. Anscheinend hatte er auch schon Besuch von illustren US-Berühmtheiten, die wir nicht kannten. Eine eindrucksvolle Begegnung.
Abends machten Charlotte und Adriaan früher Schluss und so hatten wir ein wunderbares neues Refugio ganz für uns allein, von Guanacos umgeben.
Am nächsten Tag besuchten wir eine Königspinguinkolonie, die sich vor 10 Jahren angesiedelt hat und nun von einer privaten Organisation behutsam genutzt wird. Hört sich komisch an, mir fällt keine andere Beschreibung ein, denn sie haben ein kleines Besucherzentrum draus gemacht, mit Eintritt und Infos. Allerdings eben sehr behutsam mit eingeschränkten Öffnungszeiten, mind. 50m Abstand zu den Tieren, Beobachtungshütten mit Fernrohr, Absperrungen und Infotafeln. So hoffen sie, dass die Pinguine bleiben. Wir auch.
Nach einer weiteren Übernachtung, diesmal direkt an der chilenisch-argentinischen Grenze in einem kleinen Hotel mit Restaurant, passierten wir völlig unkompliziert die beiden Grenzposten, die 15 km voneinander entfernt sind. Wir hatten uns schon viele Gedanken gemacht, da eigentlich nichts Frisches, kein Gemüse, Obst, Fleisch, Milchprodukte, Rosinen?!… über die Grenze darf. Also alles vorher aufessen, was strittig ist. Bei der Einreise nach Chile sind sie auch wirklich sehr streng. Der argentinische Zöllner fragte uns nur: „Ciclistas? Bienvenido.“ Keine weiteren Fragen. Und ich hatte unsere letzte Mohrrübe und den Ingwer extra tief in der Packtasche versenkt!
Und dann waren wir am Atlantik! An dieser Stelle ist das Meer bei Ebbe bis zu 11km weit weg! Und am Pazifik ist der Tidenhub vielleicht ein, zwei Meter. Na gut, ist auch Steilküste und hier ist es eher flach.
Der Wind drehte tatsächlich ab Mittag auf Nordost (Rückenwind), glücklicherweise, denn: ebendort baute sich eine dicke schwarze Wolkenwand auf, die uns zu verfolgen begann. Wir nahmen die Herausforderung an und strampelten, was das Zeug hielt, mit einem Schnitt von 27 km/h über zwei Stunden nach Rio Grande – und gewannen. Trocken geblieben!
Unterwegs hatten wir noch einen unerwarteten Aufenthalt: Ein lautes Knacksen bei Fritz – ein Speichenbruch am Hinterrad auf der Bremsscheibenseite! Die gesamte Prozedur dauerte nur 45 Min.! Es klappte alles wie am Schnürchen und Fritz ist zu Recht stolz. Zu bemerken ist, dass außer meinen beiden Platten in der ersten Woche wir auf der ganzen weiteren Reise keine einzige Reifenpanne mehr hatten!
In Rio Grande hieß die Aufgabe „ Geldbeschaffung“. Denn in Argentinien ist ein Geldautomat eine Geldvernichtungsmaschine. Eine unverschämt hohe Gebühr macht diese Option zur absoluten Notlösung. Stattdessen kann man im Spielcasino! Geld wechseln, und das zu einem guten Kurs! Bei Banken sind die Wartezeiten am Schalter wohl eher in Stunden als in Minuten zu zählen. Dollar haben wir als Reserve immer dabei, nur leider gab uns unsere Bank auch schmuddelige, eingerissene, z.T. beschmierte Scheine aus und ich habe nicht darauf geachtet. Aber hier achten sie drauf! Und wir werden diese Scheine kaum los! Da man eigentlich überall mit Kreditkarte bezahlen kann, auch im Kiosk, ist der Bedarf an Bargeld nicht so groß. Ganz ohne geht es natürlich doch nicht.
Noch drei Tage bis Ushuaia!
Danke für diesen tollen Bericht (eigentlich für alle Berichte!) und die wunderschönen Bilder und Eindrücke! Ich habe fast das Gefühl, als wäre ich dort mit Euch. Alles gute, Bob in Hannover