Man wird hier ja häufig von Mopedfahrern beim Fahren angesprochen, bevorzugt in schwierigen Verkehrssituationen, der übliche small-talk, woher-wohin, in Hindi oder bestenfalls gebrochenem Englisch. Vor einigen Tagen sprach mich gegen 5°° p.m. jemand deutlich anders an, in sehr gutem Englisch und ich spürte wirkliches und weitergehendes Interesse. Satish, so heißt er, lud uns auf den Bauernhof seiner Familie ein, der 30 km entfernt sei. Das würden wir per Rad vor der Dunkelheit nicht mehr erreichen (und man soll in Indien ja nicht im Dunkeln Rad fahren!), also wurde ein Pick-up angehalten, der uns 20 km weiter brachte. Die letzten vier km bester dirt-road mussten wir in der Dämmerung radeln, dann waren wir da.
Die (Groß-)Familie lebt auf diesem Grundstück (mehrere ha) seit vier Generationen. Unser Freund Satish ist 30, studiert BWL-Master und hat vor einem halben Jahr geheiratet. (Die Ehe wurde wie üblich von den Eltern/Schwiegereltern vermittelt und er lernte seine Frau ca. 8 Wochen vor der Hochzeit kennen). Das neu gebaute und jetzt bewohnte Haus wurde vor drei Monaten bezogen; darin leben Satish mit seiner Frau, seine Eltern, der Bruder mit Frau und Tochter und eine Schwester. Weitere Teile der Großfamilie haben Häuser im 200-Meter-Umkreis.
Der Hof hat 20 ha, auf denen in drei Ernten pro Jahr Zuckerrohr, Zwiebeln und Baumwolle angebaut wird, dazwischen wohl noch Gemüse für den lokalen Markt. Dazu werden in Arbeitsspitzen z.B. für die Baumwollernte Landarbeiterinnen zum Tageslohn von 250 Rupien (~3,50 €) eingesetzt. Die arbeiten 11 Stunden, plus eine Stunde Mittagspause. Verkauft wird die Baumwolle an eine staatliche Annahmestelle, die Festpreise bietet. Weil sie erst in drei Wochen öffnet, muss die Baumwolle solange im Haus gelagert werden.
Unsere Ankunft hatte sich ganz schnell herumgesprochen und ruck-zuck stellten sich andere Familienangehörige und Freunde ein (s. Beitragsbild). Wir wurden zum Tee herumgereicht, denn die meisten Menschen hier auf dem Land haben noch nie Europäer gesehen. Besonders unsere vergleichsweise immer noch helle Haut und vor allem graue und blaue Augen haben schwer beeindruckt.
Karin wurde in einen Sari (der übrigens eines der Zeichen verheirateter Frauen ist) eingekleidet und fand das deutlich angenehmer als den Schador im Iran. Steht ihr irgendwie auch besser, oder?
Beim Abschied meinte Satish, er sei glücklich, dass wir ihm geglaubt und vertraut hätten, als er uns auf der Straße eingeladen hatte. Die meisten Europäer würden Indern nicht glauben. Er bat uns wiederzukommen, damit er uns mehr von seinem Land zeigen könne. Ihm sei es wie vielen Indern leider aufgrund der finanziellen Verhältnisse völlig unmöglich zu reisen. Das war ein spannendes Erlebnis und wir danken Satish und seiner Familie sehr herzlich für ihre Gastfreundschaft!
Wie wunderbar.
Das sind Erlebnisse, wie man sie in Deutschland und wohl auch in großen Teilen Europas nicht mehr erleben kann.
LG
Rainer
Das ist ja wirklich ein tolles Erlebnis. Wir versuchen auf unseren Reisen auch oft Kontakt zur lokalen Bevölkerung aufzubauen, was jedoch auf Grund einer anderen Reiseart nicht immer so gut klappt wie bei Euch.
Weiterhin eine schöne Reise und alles Gute
Viele Grüße
Axel Birndt.
PS: So tolle Tauchgänge hätte ich auch gern gemacht.