Am 02.06. fuhren wir also los. Wir waren sehr überrascht über die touristische Infrastruktur entlang der Straße. Restaurants, Läden, etc. Ich habe noch nie so viele aufblasbare Badetiere, Schwimmreifen etc. gesehen. Quietschbunt, trubeliger Ausflugsverkehr, bei langsam enger werdender ansteigender Straße. Aber alles noch machbar. Es ist nicht ganz so heiß und wir waren guter Dinge, mit vielen Pausen und Gelassenheit auch diesen Pass zu bewältigen. Bis wir nach ca. 50km eine Trinkpause am Straßenrand machten. Ein Polizeiwagen kam, hielt an und machte uns eindeutig Zeichen, weiterzufahren. 100m weiter stand der nächste und hielt uns an. Wir könnten hier nicht weiter, müssten zurück, die Straße wäre für Fahrräder gesperrt. Es dauerte etwas, bis wir das verstanden, noch etwas länger, bis der Polizist verstand, dass das Zurückfahren und die von ihm benannte Ausweichstrecke für uns eine ganze Woche bedeutet hätte und noch ein wenig länger, bis ein Polizist mit besseren Englischkenntnissen kam. Es war eindeutig. Für uns war kein Weiterkommen, die Straße würde für drei Tage gesperrt und zur Einbahnstraße Richtung Kaspisches Meer. Allerdings würde uns erlaubt, mit einem Pickup mitzufahren. Darin unterstützten sie uns sogar, hielten einen Pickup an und zwangen die Fahrer nahezu uns mitzunehmen. Also luden wir die Räder hintendrauf, setzten uns dazu- nach einigem Hin und Her erlaubte die Polizei, dass ich auch hinten sitzen durfte- und ab ging die Post. Schnell wurde uns klar, dass wir den Pass auch in zwei Tagen kaum geschafft hätten, 140km fast nur bergauf! Eine gigantisch schöne Landschaft, der Pass ist nicht umsonst berühmt! Einfach atemberaubend! Serpentinen, die sich höherschrauben, in die Abhänge eingegraben, durch enge Schluchten, in denen sich über einem die Felswände fast berühren, aus den wuchernden dschungelähnlichen Wäldern langsam höher steigend in die heißen kahlen Hochgebirgsregionen, vorbei an Stauseen, großen abgegangenen Muren… Und dann der Gegenverkehr!!! Die zweite Einsicht: Hier wären wir nie durchgekommen! Die Polizei sperrte kurz hinter uns die Straße, scheuchte überall mit Lautsprechern die Leute, die am Straßenrand Pause machten auf und bestand auf sofortiger Weiterfahrt. Es war ein heißer Ritt in jeder Beziehung! Stellt euch eine kleine enge Passstraße ohne Randstreifen vor und die Gegenspur ist nicht nur voll und über viele km gestaut, sondern bei jeder Gelegenheit fahren die Autos auf einmal in zwei Spuren, wo es nur eine gibt. Und es wurde immer dichter. Die Dimension dieses Staus: fast 140km!!! Die Teheraner wollten alle für 3-4 Tage ans Meer und der versmogten Stadt entfliehen. Und in drei Tagen wird das gleiche Schauspiel zurück erfolgen!
In Karaj durften wir wieder weiterfahren und ein iranischer Rennradler begleitete und führte uns ein Stück Richtung Teheran. Wir suchten einen Park o.ä. zum Übernachten. Aber es war alles nur städtisches Industriegebiet und wir versuchten unser Glück am Ende in Richtung Stadtmitte. Und wie so oft; ein Mann, den wir nach dem Citypark o.ä. fragten, half uns nicht nur mit dem Hinweis, wo einer sei, sondern begleitete uns dorthin, schleppte die Räder mit uns gemeinsam eine steile Treppe runter und wieder rauf und erklärte uns dann, dass in dem Park heute eine große Zeremonie stattfände und es etwas „croudy“ sei. Stimmte haargenau. Die Parkanlage überfüllt mit Menschen, Musik, Lautsprecher, großes Volksfest. Und die Polizei war sofort da, fragte und wollte Pässe sehen. Wir verursachten einen Menschenauflauf vorrangig junger vor- bis pubertierender Jungs, die ihre „hello“´s und „I love you“ ‘s loswerden wollten. Der nette Iraner, der den Polizisten erklärte, dass wir im Park übernachten wollten, meinte auf einmal, er hätte eine bessere Idee. Wir sollten zu ihm mitkommen und dort übernachten. Angesichts der für uns uneinschätzbaren Menschenmenge und der vielen jungen aufgekratzten Männer sahen wir uns selbst nicht in dieser Location zelten und nahmen (mal wieder) dankbar an. Seine Frau, schnell herbeitelefoniert, war sehr freundlich, sprach gut Englisch und lud uns ebenfalls ein. Im 7 Stock eines modernen Hochhauses bekamen wir das Kinderzimmer, wurden mit einem iranischen Nationalgericht bekocht und besuchten dann gemeinsam das Fest, das mit einem wunderbaren Feuerwerk endete. Es ist übrigens ein Zusammenfallen verschiedener beweglicher Feiertage, das uns auch jetzt in Teheran einige Verlängerungstage beschert. Erstens der Geburtstag des 12. Imam, den die Schiiten verehren, die Sunniten übrigens nicht. Am Abend davor wurde schon gefeiert. Danach der größte Trauertag des Landes: Der Todestag Khomenies, und dann der normale Freitag, der hiesige Sonntag.
In dieser netten iranischen Familie konnte ich einen Tschador ausprobieren und die Frauen, Tochter und Mutter, erklärten mir, wie die verschiedenen Kleidungstücke heißen und getragen werden. Die Beschreibung und Einschätzung der Situation der Frauen im Iran speziell was die Kleidungsfrage angeht, differierte übrigens zwischen dem Mann und den Frauen. Sie betonten mir gegenüber schon, dass es unbequem, hart und heiß sei, er dagegen betonte die Freizügigkeit und Freiheit der Frauen im Iran, besonders im Vergleich zu den anderen islamischen Staaten.
Die Anfahrt nach Teheran am nächsten Morgen verlief unkompliziert auf autobahnähnlicher Straße. Der reduzierte Feiertagsverkehr kam uns zugute und so erreichten wir am späten Nachmittag unsere Anlaufadresse in Teheran.
Hallo ihr beide,
wir, Marina und Michael, zwei Wolfsburger vom ADFC verfolgen mit Freude und Spannung euren Reisebericht. Beim Lesen “fiebern” wir mit euch mit.
In einer Woche “bereisen” wir die Ostseeküste für eine gute Woche; vor kurzem waren wir mit dem Rad in Postsdam und Umgebung (Seen) sowie am Mütitzsee.
Wir wünschen euch weiterhin eine traumhafte und spannende Fahrt und immer eine handbreit Luft unter den Reifen.
Radlergrüße aus Wolfsburg
Euch beiden auch eine gute Fahrt und viele schöne Eindrücke. Mit offenen Augen und Herz ist jede Gegend spannend und wunderbar!!
LG Karin und Fritz
Die letzten Schilderungen waren wieder (nach einer guten Woche Segellehrgang in der stürimischen Ostsee) sehr spannend von Euch. Die vielen Einladungen machen schon ein wenig neidisch. Welch tolle Eindrücke Ihr so gewinnen könnt. Spannend auch die Berichte von der Hochzeit und der Passfahrt.
Allerdings ohne Tschdor gefällst Du mir viel besser.
LG
Rainer
Ja, ich gefalle mir ohne auch viel besser. Außerdem ist es sehr unbequem und heiß! Fritz wollte das Foto unbedingt auf die Seite haben.
LG Karin